Am 3. und 4. Dezember 2018 waren wir auf Einladung der Neuköllner Hermann-Sander-Schule für zwei volle Schultage in einer 5. Klasse zu Gast. Thema war „Flucht aus Syrien“, da sich Vorurteile gegenüber syrischen Kindern aus geflüchteten Familien gezeigt hatten. Den Wünschen der Schule entsprechend entwickelten wir hierfür die Projekttage „Flucht aus Syrien“, bei denen wie bei allen Projekten des Lebendige Bibliothek e. V. direkte Begegnungen im Mittelpunkt standen, um Empathie und Verständnis zu fördern und Wissen zu vermitteln. Hierzu hatten wir unterschiedliche Expert*innen eingeladen.
Zu den Fragen „Was ist eigentlich Krieg?“, „Was heißt es, in einem Kriegsgebiet zu sein?“ und „Warum fliehen Menschen?“ hatten wir Stefan Lehmeier vom International Rescue Committee (IRC) Deutschland zu Gast. Herr Lehmeier, der selbst in verschiedenen Kriegsgebieten für die humanitäre Hilfsorganisation IRC im Einsatz war, beantwortete eindrücklich die vielen Fragen der Schüler*innen und erklärte auf kindgerechte Weise, dass das Bild, das beispielsweise Filme oder Computerspiele vom Krieg zeichnen, nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Es gebe keine Helden, nur Menschen, denen schlimme Dinge widerfahren, und Menschen, die sich dafür schämen, was sie getan
haben. Auch Dinge, die für uns selbstverständlich sind, wie dass die Polizei dafür sorgt, dass Gesetze eingehalten werden, existieren im Krieg nicht mehr.
Der anschließend geplante Besuch eines geflüchteten Syrers musste leider verschoben werden, da sowohl von diesem als auch den Ersatzpersonen kurzfristige Absagen kamen. Zur Frage „Wie sieht eine Flucht aus?“ kamen daher an dieser Stelle in Form von zwei Filmen junge Männer mit ihren Erfahrungen zu Wort. Über deren Erlebnisse wurde mit den Schüler*innen gesprochen und ein syrisches Kind, das die Klasse besucht, ergänzte die Berichte durch seine eigenen Erfahrungen. Die Mädchen und Jungen zeigten sich sehr mitfühlend und beeindruckt von den Erlebnisberichten und sammelten für das zukünftige Gespräch mit einem/einer syrischen Geflüchteten ihre Fragen.
Was Kriegserlebnisse mit einem Menschen machen und was Traumata sind, erklärte Mihaela Savin vom an der Charité angesiedelten Projekt TransVer den Schüler*innen kindgerecht. Gemeinsam mit Frau Savin überlegten die Kinder außerdem, was man tun kann, wenn es einem selbst oder jemand anderem nicht gut geht. Zudem leitete Frau Savin die Kinder zu einer Übung an, die sowohl traumatisierten Menschen helfen kann, als auch gesunden Kindern gut tut: die „Reise zu meinem sicheren Ort“.
Zu Beginn des zweiten Projekttages besuchte der Integrationsbeauftragte von Neukölln Jens Rockstedt die Klasse. Da im Vorfeld aufgefallen war, dass die Anfeindungen, mit denen syrischen Kindern begegnet wurde, oft einen Kern hatten, der das Thema Neid und Ungleichbehandlung betraf, war Herr Rockstedt zu Gast, um den Kindern u. a. zu erklären, wonach sich die Verteilung von staatlicher finanzieller Unterstützung richtet und dass die Herkunft eines Menschen dabei keine Rolle spielt. Wie alle unsere Gäste stellte auch er sich allen Fragen, die die Kinder hatten.
Schließlich besuchten die Kinder die Gemeinschaftsunterkunft in der Karl-Marx-Straße 269, um zu sehen, wie man eigentlich in einer Unter-
kunft für Geflüchtete lebt. Auf Einladung des Unterkunftsbetreibers TAMAJA besuchten wir die derzeit ungenutzte Unterkunft für
Geflüchtete. Die Kinder wurden über das Gelände geführt, konnten sich die Ausstattungen der Wohnungen und Gemeinschaftsräume ansehen, bekamen gezeigt, was die Bewohner*innen als Erstausstattung geliehen bekommen und konnten den Sozialarbeiter*innen Fragen zum Leben in der Unterkunft stellen.
Im Laufes des gesamten Projektes sollten die Schüler*innen überprüfen, ob Ihre Vorkenntnisse und ggf. Vorurteile über Syrer*innen stimmen oder nicht. Dazu wurden zu Beginn alle Äußerungen der Kinder gesammelt, im Laufe der Projekttage ergänzt und nach jedem Veranstaltungsteil wieder
angesehen und besprochen: Stimmt das, was wir zu wissen meinen?
Daneben begleitete ein Videoprojekt die Kinder durch die Projekttage: Nach jedem Programmpunkt konnten sich einige Kinder freiwillig melden, um sich zu dem neu Erfahrenen vor einer Kamera auszutauschen. Zudem waren die einzelnen Programmpunkte in Informationsteile, Vor- und Nachbesprechungen sowie in Zeit für Spiel, Bewegung und Ausruhen eingebettet.
Wir danken von Herzen unseren Kooperationspartner*innen wahlweise e.V. und der AWO-Schulstation Atlantis für die gute Zusammenarbeit, unseren wunderbaren Gästen Stefan Lehmeier (International Rescue Committee (IRC) Deutschland), Mihaela Savin (TransVer, Charité) und Jens Rockstedt (Integrationsbeauftragter von Neukölln) für ihren Besuch, der Gemeinschaftsunterkunft Karl-Marx-Straße 269 und TAMAJA für ihre Gastfreundschaft, der Hermann-Sander-Schule für die Einladung und den Schüler*innen der Klasse 5a für ihr Interesse und ihre Beteiligung!